

Die Jahrestagung 2025 der Georg-Agricola-Gesellschaft für Technikgeschichte und Industriekultur (GAG) zum Thema “Stoffe, Räume und Prozesse: Die Einführung neuer Technologien als gesellschaftliche Herausforderung” fand vom 9. bis 11. Oktober in Kooperation mit dem VDE Ausschuss für Geschichte der Elektrotechnik im Deutschen Technikmuseum in Berlin statt.
Marion Steiner sprach im ersten Panel “Macht, Rohstoffe, Geld” zum Thema “Mächtige Netze: Das imperiale Erbe deutscher Elektrifizierung in Lateinamerika“.
Vortragsabstract. Auf der Grundlage früherer Forschungen über die großmaßstäbige Elektrifizierung in Valparaíso und Santiago de Chile gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts beleuchtet der Beitrag aus einer international vergleichenden und erneut kritischen Perspektive die Finanzstrategien und Geschäftsmethoden, mit denen deutsche Unternehmen in imperialem Habitus die neu entstehenden Elektrizitätsmärkte an Orten von geostrategischem Interesse weltweit eroberten.
Aus einer multilokalen Perspektive, die Technologie-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte mit Erkenntnissen aus der Stadt- und Umweltgeographie, der Anthropologie und den Heritage Studies verbindet, wird der Modus Operandi deutscher „Elektrifizierungs“-Akteure in lateinamerikanischen Städten erläutert – seien dies Hauptstädte wie Santiago und Mexiko-Stadt oder Welthafenstädte wie Valparaíso und Salvador de Bahía. So werden die Ereignisse in den spezifischen geopolitischen Kontext eingeordnet, der die globale Elektrifizierung zu jener Zeit prägte. Auf diese Weise wird auch eine Geschichte der Berliner Wirtschaftselite erzählt, der es gelang, von der Hauptstadt des gerade erst vereinigten Deutschen Reiches aus bis zum frühen 20. Jahrhundert einen großen Teil der weltweiten Elektrizitätsmärkte zu dominieren, womit auch eine Veränderung in der hegemonialen Weltordnung eingeleitet wurde, deren Spannungen schließlich in den Ersten Weltkrieg mündeten.
Die Ergebnisse dieser Analyse sind in zweierlei Hinsicht von gesellschaftlichem Nutzen. Zum einen ermöglichen sie eine parallele Lektüre der aktuellen Energiewende und eine kritische Reflexion über die damit verbundenen Veränderungen im System des internationalen Finanzkapitalismus; zum zweiten verbinden sie Orte und Menschen miteinander, die trotz ihrer räumlichen Entfernung ähnliche Erfahrungen mit Technologie, Geschäftsmethoden und Modernisierungsversprechen „Made in Germany“ teilen.
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Abbildung: Chilenische Karikatur, Zeitschrift ZigZag, Januar 1015

